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...Mao geht nach...

…Mao goes to…

毛...去…

Ein altes chinesisches Rollbild habe ich mit der Gegenwart Pekings konfrontiert: die allgegenwärtigen Sujets von Menschen, die in digitalen Welten hochmoderner Geräte versunken sind, sowie von Wachestehenden umfangen von ausufernden Neubauszenen kontrastieren mit ländlichen Idyllen und althergebrachter Mythologie. Ein unscheinbares Motiv bezieht sich dabei auf das berühmte Bild aus der Zeit der Kulturrevolution „Der Vorsitzende Mao geht nach Anyuan“ (1967) von Liu Chunhua.

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...Mao geht nach... - …Mao goes to… - 毛...去… / Tusche auf altem chinesischem Rollbild / ca. 600 x 40 cm / 2012

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Text von PETER SIMON ALTMANN (Schriftsteller)

Link: text in english (PDF 34 KB)

"Bernhard Gwiggner hat während eines China-Aufenthaltes auf einen versteckten Flohmarkt ein Rollbild erworben und die alte Malerei mit Tuschezeichnungen versehen, die das gegenwärtige Peking präsentieren. Für mich bilden sich bei flüchtiger Betrachtung schnell drei Gegensatzpaare heraus: 1. Buddhistische Heilige korrespondieren beziehungsweise disharmonieren mit Menschen, die mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt sind, 2. Die mythologische Landschaft mit symbolhaftem Baum, metaphernreichen Steinen und Wasser wird zunehmend von den Bauten der Moderne bedroht, und 3. Den abgebildeten Tieren stehen die Wachmänner gegenüber.
Für den Kenner schreitet in der Mitte Mao durch die Szenerie. Gwiggner zitiert hier das berühmte Gemälde »Der Vorsitzende Mao geht nach Anyuan« von Liu Chunhua, und daher wohl auch sein eigener Titel »...Mao geht nach...« herrührt, der irgendwie ein Fragezeichen inkludiert, ohne es jedoch angeführt zu haben. Das Gemälde von Liu Chunhua zeigt Mao als jungen Mann auf dem Weg in die Stadt Anyuan, um dort einen Bergarbeiterstreik anzuführen. Wohin wohl Mao auf Gwiggners Bild geht? Wohin würde es den jungen Mao heute im gegenwärtigen China ziehen? Oder steht Mao gar stellvertretend für das Reich der Mitte, sodaß man sich fragen soll, wohin die Entwicklung des modernen Chinas und damit vielleicht der ganzen Welt führt?
Die Tuschezeichnungen von Gwiggner scheinen eine kritische Bestandsaufnahme der postmodernen Welt im ostasiatischen Raum zu sein, und wollen wohl so verstanden sein. Auf einer humoristischen Weise sehe ich die in ihren Mobiltelefonen versunkenen Menschen aber auch mit den buddhistischen Heiligen Botschaften austauschen, als würden sie gerade an einen Arhat ein SMS schreiben. Die moderne Kommunikation inkludiert ja immer auch eine Überschreitung, eine Flucht aus der Gegenwart, aus dem Hier und Jetzt; vielleicht eine Sehnsucht nach dem Reinen Land im Westen, nach dem buddhistischen Paradies, von dem im ursprünglichen Rollbild zu lesen und zu sehen ist? – Dies ist aber nach religiöser Vorstellung nur in tiefer Versunkenheit mittels Konzentration auf sich selbst zu erreichen. So ist auch auf einer der Seiten des Rollbildes von einem Mönch die Rede, der die Meditation liebte und sich deswegen eine Hütte im Wald errichtete. Die modernen Medien entfernen uns natürlich, keine Frage, von dem spirituellen Weg.
Dreimal sehen wir im Original, wie buddhistische Heilige auf Tieren reiten: Ein althergebrachtes Zeichen dafür, daß der Mensch seine Begierden, das Animalische in sich überwunden hat. Anstelle von Löwenfiguren – im antiken China war der Löwe ein Symbol von Stärke und Macht –, die früher die Hauseingänge der Reichen und das Tor zum Regierungsgebäude als Schutz flankiert hatten, ist das gegenwärtige China ohne Wachmänner in Uniformen jetzt undenkbar. Ob sie Schutzfunktionen ausüben oder allein der Repräsentanz von Macht dienen, sei dahingestellt.
Und das Gegensatzpaar idyllische Natur/Moderne Architektur? – Die Bauten scheinen die Welt Buddhas zu verdrängen, zu zerstören, aber der einzelne Mensch wird wohl immer noch einen Rückzugsort finden, um das Lotus-Sutra zu studieren."

 

Eine chinesische Bekannte von P. S. Altmann hat den linken Rollentext identifizieren können (Zitat):

The poem written in Tang Dynasty. The poet is 孟浩然 Meng Haoran. 
义公习禅寂,结宇依空林。
户外一峰秀,阶前众壑深。
夕阳连雨足,空翠落庭阴。
看取莲花净,方知不染心。

Yi Gong was an eminent monk, he liked quiet meditation room so he built his house in the forest.
Out of the house there was a beautiful mountain and before the stairs there were many deep gullies. 
After the rain, the shadow of the trees was in the garden of the house with the sunset.
Yi Gong read Lotus Sutra, and knew how to make the heart pure.

 

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Kopien dieser Arbeit wurden bei "DAZIBAO 大字报", einer vom ASAP organisierten Gruppenausstellung, im "Organ House Art Space" und im öffentlichen Raum von Chongqing - siehe unten - sowie im "Ningbo Art Museum" in China gezeigt.

Link zum ASAP-Katalog "DAZIBAO" als Online-Journal.

Mein Beitrag findet sich auf den Seite 165-167.

Dazibao-Chongqing_2013

Dazibao-Chongqing_2013

Fotos von "Embassy of the Arts"

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