Index
Aktuelles
Werke
Ausstellungen
Biografie
Kontakt

Verein zur Förderung volksnaher Kunst


Lieber “Verein zur Förderung volksnaher Kunst”,

du wirst mich nicht kennen, denn ich habe deine Räumlichkeit im Innenhof des Traklhauses, in der du früher – vor deinem Hinscheiden – über viele Jahre Arbeiten deiner Vereinsmitglieder gezeigt hast, nur wenige Male während meiner Kunsterzieher-Studienzeit am Mozarteum in den 80-er Jahren betreten. Dies tat ich jedesmal mit einer Mischung aus Neugier und innerer Abwehr.
Neugier deshalb, weil mich die – in meiner Erinnerung - seltsame Mischung aus den obligaten Blumenaquarellen, Kreuzsticharbeiten, Blumenarrangements bis hin zu sog. Naiver Malerei, die hinter der offenen Eingangstür hervorblitzte, ein wenig an die vertraute Bildwelt meiner Oma gemahnte; innere Abwehr zugleich aus demselben Grund: wollte ich doch durch die Beschäftigung mit moderner Kunst u.a. über eben diese gar so anheimelnde Kunsthandwerklichkeit hinweg ins Zeitgenössische kommen.
Ausgerechnet auf dem Weg in die moderne “Galerie im Traklhaus” hattest du – räumlich knapp daneben - deine antimoderne Position gesetzt; das war einerseits irritierend, andererseits eine wunderbare örtliche Konstellation, um sinnfällig die Salzburger Pole im “Kampf” um ästhetische Weltbilder sichtbar zu machen.

Nun ist eine bildnerische Tätigkeit, sei es auch eine hobby-mäßige und diletantische, ja alleweil persönlich bereichernd; der engagierte, bildnerische Laie muss einem Kunsterzieher somit in gewissem Maße am Herzen liegen, wenngleich die häufige Repetition von künstlerischen Klischees unheimlich auf die Nerven gehen kann. Ein klassischer Zwiespalt sohin.
Wären deine Vereinsmitglieder denn potentiell für die Eröffnung von Zugängen zu zeitgenössischer Kunst zu haben gewesen? Oder ging es vielmehr in eurem “Verein zur Förderung volksnaher Kunst” um eine Art selbst-stabilisierendes System, bei dem sich Gleichgesinnte ihrer Ressentiments dem sog. Modernen gegenüber versicherten? Eine Gesinnungsgemeinschaft also?
Aber was ist schon “modern” und was ist schon “volksnah”? Sind nicht Teile der Moderne mittlerweile Allgemeingut und ins alltägliche Leben eingedrungen? Selbst Ausstellungen moderner Kunst boomen und ziehen Massen an. Abstrakte Malerei und tachistische Techniken werden in Volkshochschulkursen unterrichtet; die Moderne ist also im Volk angekommen. Die Moderne ist volksnah geworden – mit allen Missverständnissen, die eine Popularisierung mit sich bringt. Die Moderne ist also tatsächlich unsere Antike, wie von der vergangenen Documenta in Kassel getitelt wurde?
Und die zeitgenössische Kunst? Sie arbeitet sich an dieser volksnahen, popularisierten Moderne ab, setzt dagegen, greift deren Ansätze auf und radikalisiert sie; das Volkstümliche und Alltagskulturelle wird zugleich immer mehr zum Forschungs- und Kunstthema.

Für meine Arbeit zur “Traklhaus”-Ausstellung habe ich am 27. August 2009 eure 5 Begriffe “Verein”, “zur”, “Förderung”, “volksnaher” und “Kunst” in die Google-Bildersuche eingegeben. Das weltweite Netz spuckte eine eigenartig unerwartete Zusammenstellung an teilweise skurrilen Bildern dazu aus, von der ihr euch nicht - und wohl kaum jemand sonst - repräsentiert fühlen würdet.
Das World Wide Web ist ja die dominante Bilder-Überflutungsmaschine und damit auch das Bilder-Bildungsmedium schlechthin. Mich interessierte daher, was aus den Milliarden von Bildern von der zur Zeit relevantesten Suchmaschine zu diesen Begrifflichkeiten zuvorderst an die Oberfläche gefiltert wird. Den uns unbekannten Suchparametern und Relevanzeinstufungen sind wir dabei in einer unsere Sehkultur prägenden Weise ausgeliefert.
Meine 5 Zeichnungen halten nun einen Moment des perfekt-digitalen Flusses derart fest, dass ich dem meine persönliche - auch fehlerhafte – handschriftliche und handwerkliche Aneignung entgegen setze; ein Bildmoment ist damit eingefroren, der in der nächsten Sekunde potentiell für immer im digitalen Nirvana verschwunden ist. Wie wird man wohl in 50 oder 100 Jahren auf diese Bildwelt-Konstruktionen schauen?

Ob professioneller Dilettant oder dilettantischer Profi, die digitale Welt schließt alle in egalitärer Weise ein.
Findet im www möglicherweise die volksnahe Kunst unserer Zeit statt?
Was meinst du?

Mit posthumem Dank für die Anregung zu meiner Arbeit und freundlichen Grüßen
Bernhard Gwiggner

Salzburg, 08.10.09

01-verein_zur_foerderung_volksnaher_kunst 02-verein 03-verein 04-verein 05-zur
06-zur 07-zur 08-foerderung 09-foerderung 10-foerderung
11-volksnaher 12-volksnaher 13-volksnaher 14-volksnaher 15-kunst
16-kunst 17-kunst 18-kunst

Verein/zur/Förderung/volksnaher/Kunst / Lackstift, Bleistift, Kohle, Tusche auf Papier / 5-teilige Arbeit - jeweils  133 x 86,5 - 98 cm / 2009

Generated by Galerie